Der Friedhof der Nicht-Katholiken in Rom
Menschen, die nicht katholisch waren und die in Rom starben,
durften über Jahrhunderte nicht innerhalb der Stadtmauern bestattet
werden. Dieses Verbot ist der Grundstein für die Entstehung eines
der schönsten Friedhöfe der Welt: des Cimitero Acattolico.
In Rom, einer Stadt, die mit monumentalen Bauwerken gar nicht
geizt, ragt die viertgrößte Pyramide der Welt aus einer
verkehrsumtosten Kreuzung an der Porta Ostiense empor. Am Fuße der
vierzig Meter hohen, mit weiß glänzendem Carrara-Marmor
verkleideten Pyramide, die sich Gaius Cestius wenige Jahre vor
Christi Geburt errichten ließ, wurde im Lauf der Jahre und
Jahrhunderte eine illustre Schar Reisender mit letzter Destination
Rom zu Grabe getragen.
Die Pyramide ließ sich Gaius Cestius wenige Jahre vor Christi
Geburt errichten.
Der Friedhof der Nichtkatholiken"Cimitero Acattolico" heißt der märchenhafte Friedhof,
dessen Pate der romantische Kult um Tod und Schönheit ist. Eines der
meist besuchten Gräber am "Friedhof der Nichtkatholiken"
ist das des britischen Dichters John Keats, der 1821 in Rom starb und
sich für seinen Grabstein die Worte "Here lies one whose name
was writ (sic!) in water" ausbat.
Wer in Rom lebt, der lebt auch eine Liebesbeziehung mit der
Vergangenheit.
Steinerne Hunde, Kinder, Engel, Frauen und Männer bevölkern die
Grabstätten der Nicht-Katholiken. Dazwischen streifen Flaneure aus
aller Herren Länder umher und entziffern die gemeißelten
Grabbotschaften. Letzte Grüße auf Schwedisch, Norwegisch, Russisch,
Französisch, Italienisch und immer wieder Englisch tun Kunde von der
internationalen Begeisterung für das Leben in Rom.
Am Grab
seines Vaters sinniert in Gedanken versunken der britische
Kunsthistoriker Frank Dabell. Am Rom-Campus der Temple University,
einer in Philadelphia beheimateten Universität, die ihren Studenten
eine Bildungs-Grand-Tour nach Rom ermöglicht, macht Frank Dabell
junge Amerikaner mit den Werken von Piero della Francesca und anderen
Kunst-Ikonen der italienischen Renaissance bekannt.
Der
Kunsthistoriker ist in Rom aufgewachsen, sein Vater war Diplomat bei
der Welternährungsorganisation FAO, die ihren Sitz unweit der
Pyramide des Gaius Cestius hat. Der letzte Wunsch des Vaters: am
Cimitero Acattolico bestattet zu werden. Frank Dabell, dessen früh
verstorbene Mutter am Friedhof Montparnasse in Paris begraben liegt,
kommt gerne auf den Friedhof bei der Pyramide: "Die Römer sind
schrecklich abergläubisch, sie fürchten sich vor Friedhöfen. Wenn
ich zu einem befreundeten Römer sage: ich gehe auf den Friedhof,
dann fragt er: "Wozu?" - und ich sage: "Weil es ein
wunderschöner Ort voller Geschichte ist."
Eine Liebesbeziehung mit der VergangenheitWer in Rom lebt, der lebt auch eine Liebesbeziehung mit der
Vergangenheit, meint Frank Dabell und zitiert den Dichter Percy
Bysshe Shelley, dessen Grab ebenfalls am Cimitero Acattolico zu
finden ist: "Beim Gedanken, an einem so lieblichen Platz
begraben zu sein, verliebt man sich in den Tod."
Steinerne Hunde, Kinder, Engel, Frauen und Männer bevölkern die
Grabstätten.
Es wird eng am Cimitero Acattolico, die stilvollen Gräber unter
Zypressen und Schirmpinien sind heiß begehrt. Der Cimitero
Acattolico entstand zu einer Zeit, als das Regime der Päpste in Rom
äußerst strikt war. Nicht-katholische Verstorbene durften nicht
innerhalb der Stadtmauern beigesetzt werden, mitunter mussten sie bei
Nacht und Nebel zu Grabe getragen werden. Im Laufe der Jahrhunderte
wurde es jedoch zu einem Privileg, am Cimitero Acattolico bestattet
zu werden, und inzwischen liegen die Katholiken im Clinch mit der
Friedhofsdirektion, weil auch sie Parzellen am exklusiven Gräberfeld
besiedeln wollen.
Gefährdetes KulturgutRechtlich gesehen ist der Friedhof als ein privater Verein aus 14
Mitgliedsstaaten konstituiert. Turnusmäßig wird der Botschafter
eines der Staaten Präsident: "Um am Cimitero Acattolico
bestattet zu werden, muss man einem der Mitgliedsstaat des Vereins
angehören", erzählt Bruno Spinner, Schweizer Botschafter in
Rom und derzeitiger Präsident des Friedhofs-Vereins. Österreicher
finden also nur am Fuße der Pyramide ihre ewige Ruhe, falls sie eine
Doppelstaatsbürgerschaft haben.
zurückText: Christina Höfferer · 31.10.2009
Hör-TippAmbiente, Sonntag, 1. November 2009, 10:06
Uhr
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Acattolico